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Die fünf wichtigsten Kommunikationsmittel und wann sie am besten angewandt werden

Die „über-den-Zaun-werf-Mentalität“ oder „Hast du die E-Mail nicht gelesen?“
Ich lese im Urlaub keine E-Mails. Und Sie hoffentlich auch nicht. Früher ging das auch. Wirklich? Heute beschleicht uns doch beim Gedanken an die totale digitale Abstinenz in einem Zeitraum von über mehr als 48 Stunden ein seltsames Gefühl. Warum das so ist? Meines Erachtens hat dies zwei Gründe: 1. Die Angst, etwas zu verpassen. Und 2. die berechtigte Angst vor über 1.000 E-Mails nach einem 3-wöchigen Urlaub – und das ist definitiv nicht zu bewältigen. Aber das geht auch ohne Abwesenheit schon los. Kennen Sie das? Sie sind in einer Besprechung und stellen plötzlich fest, dass die anderen Sitzungsteilnehmer bei einem Thema scheinbar einstimmig einer Meinung sind, die in Ihren Augen aber nicht funktionieren kann? Sie fragen kurz nach, wie man denn zu diesem Standpunkt gekommen ist und es heißt lapidar: „Hast du die E-Mail nicht gelesen?“ „Nein, sorry … welche E-Mail …?“ Ein erhebendes Gefühl! Die anschließende Recherche ergibt, dass die Information in einer E-Mail vergraben ist, die eigentlich ein anderes Thema behandelt und ich nur per CC erhalten habe. Na bravo! Ich nenne das die „über-den-Zaun-werf-Mentalität“. In dieser Folge beschäftigen wir uns mit den fünf wichtigsten Kommunikationsmitteln und wann welches am besten geeignet ist.

Eines vorab: E-Mail ist oft das einfachste, jedoch selten das beste Kommunikationsmittel, obwohl wir es am häufigsten nutzen. Ja, ich bekenne mich schuldig, wider besseren Wissens auch schon mal eine E-Mail geschickt zu haben, anstatt den Telefonhörer in die Hand genommen und mit meinem Gegenüber einfach gesprochen zu haben. Ich glaube, wir alle kennen das Problem.

Laut einer Studie der Uni Konstanz aus dem Jahr 2020 wird zum überwiegenden Teil per E-Mail kommuniziert, wobei E-Mail von 34% der Befragten als das produktivste und mit Abstand am wenigsten belastendste Tool empfunden wird. Klar, schnell eine E-Mail schreiben und das Problem ist aus meinem Arbeitskorb in den Arbeitskorb meiner Kollegen verschoben. Oder um die Metapher zu bemühen: aus meinem Garten über den Zaun in den Garten meiner Kollegen geworfen, wo es nichts mehr mit mir zu tun hat. Die „über-den-Zaun-werf-Mentalität“.

Das ist toll! Die Erleichterung ist augenblicklich, wenn auch von kurzer Dauer und wird beizeiten ähnlich bereut wie das Essen einer Tafel Schokolade aus Frust. Das sich im Moment zwar gut anfühlt, worüber man aber am nächsten Morgen flucht. Um also nicht nur kurzgreifenden Versuchungen zu erliegen, systematisieren wir in diesem Beitrag kurz die 5 wichtigsten Kommunikationsmittel, die wir im Berufsalltag zur Verfügung haben.

 

Die 5 wichtigsten Kommunikationsmittel:

  1. Ein Gespräch face-to-face in Person und Echtzeit.
  2. Eine Telefonkonferenz mit technischen Mitteln – nicht direkt gegenüber, aber mit Video.
  3. Der klassische Telefonanruf – wie Video, aber ohne Bild.
  4. E-Mail.
  5. Post – ja, das gibt es noch. Die normale Post.

Wir betrachten diese Kommunikationsmittel vor dem Hintergrund folgender Kriterien:

  1. Ist der Sachverhalt, der zu diskutieren ist, komplex ja oder nein?
  2. Ist die Anweisung bzw. der Auftrag an das Gegenüber einfach oder komplex?
  3. Ist die Antwort zeitkritisch oder nicht?
  4. Wie ist das Kompetenzlevel des Gegenübers? Ein Experte oder nicht?

Anhand dieser Kriterien können wir einteilen und ganz gut sehen, welches Mittel am besten ist.

 

Face-to-Face:

Der größte Vorteil dieser Kommunikation ist, dass wir die komplette Körpersprache ungefiltert sehen. Wir erleben Wortwahl, Tonfall, Mimik, Gestik und Körperhaltung unmittelbar und bemerken sofort kleine Details: Kommt eine Antwort schnell oder wird gezögert? Wechseln sich die Blicke mit anderen Personen? Ist Unsicherheit im Ton? Verrät die Wortwahl Sarkasmus? Das erlaubt eine unmittelbare Korrektur, wenn wir merken, dass wir missverstanden wurden. Wir können Zusatzinformationen sofort nachreichen und auch selbst nachfragen – eine unmittelbare, sofortige Spezifizierung und Präzisierung des Inhalts ist möglich. Einfach gesagt: ein Dialog findet statt. Paraphrasierung funktioniert, wir können Fragen stellen, wir können Einwände behandeln, wir können Neugierde stillen, schwierige Sachverhalte diskutieren und wir können komplexe Anweisungen oder Aufträge vermitteln, auch wenn der Empfänger über ein etwas tieferes Kompetenzlevel verfügt. Zusammengefasst:

  1. Sachverhalt komplex,
  2. Anweisung komplex,
  3. Antwort zeitkritisch,
  4. Kompetenzlevel des Gegenübers ausreichend, aber kein Experte.

 

Telefon- bzw. Videokonferenz:

Hier gilt im Prinzip dasselbe, wie bei der face-to-face-Kommunikation mit dem Unterschied, dass alles, was die Wahrnehmung des Gegenübers betrifft, stark eingeschränkt ist. Das hängt damit zusammen, dass das Videosetup heute in den Homeoffice-Zeiten selten optimal ist. Es wurde von Laien aufgesetzt – die Beleuchtung ist nicht gut, die Kamera ist häufig ungenügend, falsch platziert und verfügt nur über eine schlechte Auflösung. Das alles führt dazu, dass wir im Prinzip zwar dieselben Formate haben wie im face-to-face, nur das körperliche Feedback des anderen teilweise fehlt. Gleichwohl haben wir die Möglichkeit unmittelbar nachzufragen, der Dialog kommt, wenn auch eingeschränkt, zustande. Zusammengefasst:

  1. Sachverhalt komplex,
  2. Anweisung komplex,
  3. Antwort zeitkritisch,
  4. Kompetenzlevel des Gegenübers ausreichend, aber kein Experte.

 

Der klassische Telefonanruf – wie Video, aber ohne Bild:

Hier fällt die Präsenz des anderen fast gänzlich weg. Ich sage fast, denn manche Gespräche über das Telefon sind mitunter effektiver, da die visuellen Anreize nicht vom Inhalt ablenken. Habe ich jemanden am Telefon, höre ich ein Zögern vielleicht etwas besser oder präziser heraus. Ich höre den Tonfall besser, da er das einzige ist, worauf ich mich konzentrieren muss. Das heißt, auch diese Kommunikationsform eignet sich für

  1. Sachverhalt komplex,
  2. Anweisung komplex,
  3. Antwort zeitkritisch,
  4. Kompetenzlevel des Gegenübers ausreichend, aber kein Experte.

Sie merken jetzt vielleicht, dass E-Mail als tollstes Kommunikationsmittel bisher noch nicht erwähnt wurde. Gleichwohl hat es natürlich seine Daseinsberechtigung.

 

E-Mail:

E-Mail eignet sich gut für längere, manchmal komplexere Sachverhalte, die erfasst und mit sehr großer Genauigkeit vermittelt werden müssen. Wir können ganze Dokumente anhängen und wir können dem Gegenüber Zeit geben, die Sache im eigenen Tempo und zum besten Zeitpunkt zu verarbeiten. Das Gegenüber kann als kompetent genug verstanden werden, den Sachverhalt zu verstehen. Der Sachverhalt kann durchaus komplex sein, muss es aber nicht unbedingt. Anweisungen in E-Mails sind oft relativ einfach: Ich brauche eine Antwort zu XY. Ich brauche einen Review, einen Check, einen Work-Shop-Termin, ich brauche eine Struktur für ein Problem etc. Zusammengefasst:

  1. Sachverhalt einfach bis komplex,
  2. Anweisung einfach,
  3. Antwort nicht zeitkritisch,
  4. Kompetenzlevel des Gegenübers höher, aber kein Experte.

Zusätzlich zu E-Mail kann man noch Kurznachrichtentools verwenden wie WhatsApp, Slack, SMS etc. Wir sehen also vor dieser Betrachtung, obwohl E-Mail am meisten verwendet und als am angenehmsten empfunden wird, kommt es erst an 4. Stelle bei der Kommunikation, wenn wir diese systematisch einteilen.

 

Die klassische Post:

Diese wird nach wie vor verwendet, wenn wir

  • Originaldokumente verschicken müssen,
  • Originalunterschriften brauchen,
  • Dokumente, die wir aufgrund der Vertraulichkeit oder Sicherheit oder
  • aus Gründen des Copyrights nicht auf elektronischem Weg verschicken wollen.

 

Zusammengefasst heißt das:

  1. Sachverhalt einfach,
  2. Anweisung einfach,
  3. Antwort nicht zeitkritisch,
  4. Kompetenzlevel des Gegenübers der eines Experten wie Anwalt, Steuerberater oder Notar.

 

Fazit:

Es lohnt sich, sich kurz darüber klar zu werden, welchen Zweck die Kommunikation erfüllen soll und dahingehend das Kommunikationsmittel entsprechend anzupassen. Dabei spielen die Komplexität des Sachverhalts, die Komplexität der Anweisung / des Auftrags, die Dringlichkeit der Antwort und das Kompetenzlevel des Gegenübers eine wichtige Rolle. Entscheidend ist dabei nicht das momentane persönliche Wohlbefinden, also die Bequemlichkeit, sondern die Frage, was uns als Team am effizientesten weiterbringt. Und so betrachtet könnte das gute alte Telefon wieder etwas in den Vordergrund rücken. Natürlich ist in der Praxis häufig eine Kombination der verschiedenen Mittel noch effizienter. Ein kurzer Anruf vor dem Versand einer E-Mail erspart oft lange Erklärungen und verhindert Missverständnisse. Oder umgekehrt, ich schreibe eine ausführliche E-Mail mit Dokumenten an eine größere Gruppe von Empfängern mit klaren Anweisungen und mache per Telefon nach einer gewissen Zeit ein kurzes Follow-up, um Einzelne da abzuholen, wo noch Fragen sind.

Und damit kommen wir zum Ausblick: Nachdem wir uns also mit den generellen Anforderungen, dem Kontext von Kommunikation, dem Kommunikationszweck und den Kommunikationsmitteln auseinandergesetzt haben, stellt sich die Frage, wie wir die Effektivität von Kommunikation steigern können. Damit beschäftigen wir uns in der nächsten Folge der Miniserie „5 Schritte zur effektiven Kommunikation“.

Kennen Sie die „über-den-Zaun-werf-Mentalität“ auch? Was tun Sie dagegen? Was hat sich bewährt? Gibt es bei Ihnen E-Mail-Regeln? Welche Kommunikationsmittel verwenden Sie am Häufigsten und warum? Was würden Sie Kolleginnen und Kollegen empfehlen?